BayBO 2008: Wann ist ein Aufenthaltsraum "möglich"?

Benutzer_750

BayBO 2008

Art.29 Decken

(1) Decken müssen als tragende und raumabschließende Bauteile zwischen Geschossen im Brandfall ausreichend lang standsicher und widerstandsfähig gegen die Brandausbreitung sein. Sie müssen

1. in Gebäuden der Gebäudeklasse 5 feuerbeständig,

2. in Gebäuden der Gebäudeklasse 4 hochfeuerhemmend,

3. in Gebäuden der Gebäudeklassen 2 und 3 feuerhemmend,

sein.

Satz 2 gilt

1. für Geschosse im Dachraum nur, wenn darüber Aufenthaltsräume möglich sind;

--------------------------------

Art. 31 Erster und zweiter Rettungsweg

(1) Für Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum wie Wohnungen, Praxen, selbstständige Betriebsstätten müssen in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein; beide Rettungswege dürfen jedoch innerhalb des Geschosses über denselben notwendigen Flur führen.

--------------------------------

Art. 45 Aufenthaltsräume

(1) Aufenthaltsräume müssen eine lichte Raumhöhe von mindestens 2,40 m, im Dachgeschoss über der Hälfte ihrer Nutzfläche 2,20 m haben, wobei Raumteile mit einer lichten Höhe unter 1,50 m außer Betracht bleiben.

Das gilt nicht für Aufenthaltsräume in Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2.

(2) Aufenthaltsräume müssen ausreichend belüftet und mit Tageslicht belichtet werden können.

Sie müssen Fenster mit einem Rohbaumaß der Fensteröffnungen von mindestens einem Achtel der Netto- Grundfläche des Raums einschließlich der Netto-Grundfläche verglaster Vorbauten und Loggien haben.

--------------------------------

Wann ist jetzt bitte ein Aufenthaltsraum "möglich"?

Reicht es schon, wenn Art. 45 (1) erfüllt ist, gleichzeitig aber Art. 45 (2) und Art. 31 (1) nicht erfüllt sind?

Viele Grüße,

Tektus

Mattes

Hallo Tektus,

meine Lesart ist folgende:

wenn der DG-Raum bezüglich seiner Höhe dazu geeignet ist, Aufenthaltsraum zu sein, ist auch ein Aufenthaltsraum i.d.R. möglich-wenn auch erst später.

Dann kommt die Treppe, das Fenster, die Heizung dazu, die Beteuerung des Bauherrn, nicht nachrüsten zu wollen, wird aus der Erfahrung heraus nicht als Grundlage der Beurteilung akzeptiert, weil ein späterer Aufenthaltsraum ohne Veränderung der Gebäudehülle ja möglich ist.

Bei Verkauf oder Mieterwechsel wird dann doch irgendwann (ggf. schwarz) ausgebaut. Dann lässt sich im Nachhinein an der Decke oder sauberen 2. RW möglicherweise nichts mehr machen.

Selbst diese zugegebenermaßen enge Auslegung der BauO verhindert trotzdem nicht, dass im Dachspitz, selbst wenn er eigentlich von der Höhe des Raumes als Aufenthaltsraum nicht geeignet ist, gerne Kinderzimmer oder Spielzimmer eingerichtet werden.

Gruß

Matthias Bußmann

Benutzer_750

Wenn ich ganz ehrlich bin, lese ich das selbe heraus!

Grundsätzlich spricht ja auch nichts dagegen, gleich alles ordentlich vorzubereiten - bis auf die Tatsache, dass der Bauherr das meist nicht bezahlen will!

Im anderen denkbaren Fall ist das alles längst geschehen, d.h. das Gebäude wurde bereits errichtet und der Bauherr hat die Kosten der Vorbereitungsmaßnahmen gescheut. (Nachträglicher Dachgeschoßausbau)

Als Ersteller des Brandschutznachweises bleibt da m.E. nur die Möglichkeit die Nutzung solcher potentieller Räume als zukünftige Aufenthaltsräume zu untersagen.

Kann man sich hier also "freischreiben"?

Viele Grüße,

Tektus

Benutzer_99

Autor: W. Linhardt Hallo Tektus,

wenn es Probleme mit der Anleiterbarkeit, gerade auch bei Hinterhöfen im Altbaubestand größerer Höhe geben sollte (z.B. zu schmale, zu niedrige Durchfahrt, keine Möglichkeit für Außentreppe, 1. RW mit Mängeln) kann ein Aufenthaltsraum im Dachgeschöß "nicht möglich" sein. In solchen Fällen geht dann oft nur der Einbau einer Galerie, die kein eigenes Geschoß darstellt. Erforderlichenfalls mit der Feuerwehr abklären.

MfG W.L.

Benutzer_99

Autor: W. Linhardt "Als Ersteller des Brandschutznachweises bleibt da m.E. nur die Möglichkeit die Nutzung solcher potentieller Räume als zukünftige Aufenthaltsräume zu untersagen.

Kann man sich hier also "freischreiben"?"

Wer soll denn die Nutzung untersagen? Nach meiner unmaßgeblichen Ansicht kann ein Fachplaner als Nachweisersteller - jedenfalls - gar nichts untersagen; er muss aber ggf. zur Aufklärung beitragen und zwar schriftlich.

Im Übrigen wird auf die Eingriffsbefugnisse der Bauaufsicht bei erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit hingewiesen (Art. 54 BayBO 2008). Dieses Thema ist hier im Forum schon öfter erörtert worden.

MfG W.L.

WernerMueller

Hallo Winnie, Hallo Tektus,

abgestellt wird bei der "Möglichkeit" eines Aufenthaltsraumes tatsächlich auf die Höhe in Bezug auf die Fläche, also genau wie in Art. 45 (1) BayBO 2008 beschrieben. Das ist übrigens seit 1994 schon so.

Aufpassen: Ob für dieses Geschoß Rettungswege vorhanden (oder möglich) sind, spielt hier zunächst keine Rolle. Sollten diese nicht vorhanden sein, dann kann der Raum eben nicht als AHR ausgewiesen werden, sprich der Raum muß als "Abstellraum" o.ä. bezeichnet werden. Die Decke gälte es dann entsprechend fh/fb auszuführen, wobei -je nach GK und Geschoßzahl der NE- hier nur die Tragfähigkeit eine Rolle spielt, da eine offene Geschoßverbindung (entsprechend Art. 29 (4) BayBO 2008 durchaus zulässig wäre.

Übrigens:

Das Kriterium der "Möglichkeit" von AHR ist ja bereits Grundlage der Einstufung in Gebäudeklassen (Art. 2 (3) S. 2 BayBO 2008).

Gruß

Werner Müller

Benutzer_99

Autor: W. Linhardt Danke, Herr Müller, auch für Ihren Rückblick auf Art. 2 BayBO 1994.

Auch 1994 stand keine direkte Bezugnahme auf die entsprechende Vorschrift für Aufenthaltsräume und Wohnungen im Dachraum in der Begriffsbestimmung des Art. 2.

1998 wurde klargestellt (?im Sinn des Art. 45 Abs. 2?), dass Aufenthaltsräume dann ?möglich? sind, wenn der fragliche Raum (objektiv) die Voraussetzungen der genannten Vorschrift, bezogen auf die lichte Raumhöhe und Nutzfläche erfüllt.

Nach BayBO 2008 ist ein Aufenthaltsraum dann möglich, wenn er die Anforderungen des Art. 45 Abs. 1 Satz 1 an die Aufenthaltsraumhöhen erfüllt. (Deutsches Architektenblatt DAB 01/08 Ausgabe Bayern, Verf. Jäde / OBB).

MfG W.L.

Benutzer_750

Ich will Euch hier die aktuelle Entwicklung in meinem konkreten Fall schildern (den ich damals als Anlass für die allgemeine Frage genommen hatte):

Randbedingungen: Bestehendes Bürogebäude, Sonderbau, bisher ungenutzter Dachraum, steiles Satteldach mit künftig zwei DG-Ebenen, Bauantrag, BayBO 2008, GK-5, Brandschutznachweis, Abweichungsanträge.

Die Baubehörde ist der Auffassung, dass in der neu geschaffenen Ebene (Dachspitz) ein Arbeitsplatz eingerichtet werden könnte, da der Raum als Aufenthaltsraum geeignet ist.

Erforderlich sind im konreten Fall zwei Abweichungsanträge:

1.) bzgl. feuerhemmender, statt feuerbeständiger Deckenkonstruktion/-tragwerk

2.) bzgl. fehlendem 2. Rettungsweg

Kompensation für beide Abweichungen:

a.) Bauherr und Nutzer verpflichten sich, den Dachspitz nicht als Arbeitsplatz/Aufenthaltsraum zu verwenden. Dies wird auch in der Brandschutzordnung so festgeschrieben.

b.) Rauchmelderüberwachung der beiden Ebenen im Dach (mit Anschluss an BMA)

Mit einer Argumentationskette "Es fehlt der zweite Rettungsweg, daher ist dort kein Aufenthaltsraum möglich" würde das Pferd von der falschen Seite aufgezäumt werden.

Viele Grüße, Tektus